Eine große Gefahr im medizinischen Umfeld stellen multiresistente Keime wie MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) oder VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken) dar. Über eine Million Menschen sterben jährlich an diesen Keimen, Tendenz steigend. Sollte sich nichts ändern, dann rechnet die WHO damit, dass 2050 schon etwa gleich viele Menschen an multiresistenten Keimen sterben wie derzeit an Krebs. Krankheiten, die bereits leicht geheilt werden konnten, wie Staphylokokken-Infektionen, sind plötzlich wieder lebensbedrohlich, weil wirksame Medikamente fehlen. Immungeschwächte Personen sind besonders gefährdet. Beim Zahnarzt besteht durch offene Wunden im Mundraum und Schleimhautkontakt eine erhöhte Infektionsgefahr, wenn diese Keime vorhanden sind. Genaue Hygienemaßnahmen sind unbedingt erforderlich.
Wo lauern Gefahren in der Zahnarztpraxis?
Sowohl erkrankte Patienten als auch asymptomatische Träger kommen für eine Übertragung multiresistenter Keime in Frage. Nicht immer ist eine Infektion offensichtlich. Im Mund jedes Patienten tummeln sich Milliarden an Bakterien und nicht jedes potentiell krankheitserregende Bakterium macht auch jeden krank. Gründliche Desinfektion und Schutzkleidung ist deswegen immer wichtig.
Mund und Nase sind die wichtigsten Eintrittspforten für Krankheitserreger. Fast bei jeder Behandlung entstehen außerdem kleine Verletzungen im Mund, sodass Keime sogar direkt in die Blutbahn eindringen können.
Gefahren lauern nicht nur an den Händen und Instrumenten des Personals, wenn diese nicht richtig desinfiziert oder mit neuer Schutzkleidung versehen sind, auch Oberflächen wie Türklinken, Wartezimmermöbel usw. können über die Berührung an die Hände und später in den Mund gelangen. Achten Sie stets darauf, dass Ihr Zahnarzt bei der Behandlung Schutzkleidung trägt und die Instrumente frisch sterilisiert sind. Keime im Wartezimmer können Sie zwar nicht sehen, wenn der Raum aber auf Sie ungepflegt wirkt, sollte das auf jeden Fall ein Alarmzeichen sein. Achten Sie immer auf eine gute Handhygiene.
Medizintourismus als Risikofaktor
In der Schweiz, Deutschland und Österreich halten rigide Sicherheitsmaßnahmen multiresistente Keime auf einem niedrigen Niveau, sodass für die meisten Patienten kaum Gefahr besteht. Große regionale Unterschiede gibt es aber sogar innerhalb Europas, besonders in Bezug auf die Bakterien Klebsiella Pneumoniae, Acinetobacter und MRSA. Für manche Keime (z.B. MRSA) gibt es im DACH-Raum bereits eine rückläufige Entwicklung. Resistente Staphylokokken können nur noch in weniger als 5% der Fälle nachgewiesen werden. Ganz anders sieht dies in Süd- und Osteuropa sowie Asien aus. In Ungarn sind es zwischen 10% und 25%, in Griechenland bis zu 50% und in der Türkei sogar noch mehr. Die Gefahr, sich in diesen Ländern bei einer medizinischen Behandlung einen multiresistenten Keim einzufangen, ist ungemein höher. Der Osten der Türkei zählt neben anderen sogar zu den weltweiten Resistenz-Hotspots.
Viele Patienten schauen zuerst auf den Preis und vergessen das erhöhte Risiko bei einer Auslandsbehandlung. Zahnimplantationen in osteuropäischen Ländern sind zwar günstiger, aber gerade an der Gesundheit sollte man nicht sparen. Neben der Infektionsgefahr sind oft auch die verwendeten Materialien und Behandlungssysteme nicht identisch mit den hochwertigen Standards und Markenprodukten im DACH-Raum.
Antibiotikaresistenzen eindämmen
Hauptverursacher multiresistenter Keime ist der sorglose und zu häufige Einsatz von Antibiotika bei Mensch und Tier. Hier hat in den letzten Jahren v.a. in Westeuropa bereits ein Umdenken stattgefunden. Antibiotika werden seltener verschrieben. Manche fordern hier sogar Bluttests vor der Verschreibung, um den Verbrauch weiter zu reduzieren. Eine Erhebung der WHO in Osteuropa und Zentralasien ergab weiterhin erschreckende Ergebnisse. Antibiotika werden dort immer noch zu schnell bei klassischen viralen Infekten verschrieben. Nicht nur, dass sie dafür wirkungslos sind, der sorglose Umgang fördert auch weitere Resistenzen. Während 2022 nur etwa ein Fünftel der Schweizer (19%, Tendenz rückläufig) Antibiotika eingenommen hat, ist es in Osteuropa und Zentralasien im Zeitraum eines Jahres etwa die Hälfte der Bevölkerung. Der starke Verbrauch fördert Resistenzen in diesen Regionen.
Auch Patienten sind gefordert. Verschriebene Antibiotika müssen immer bis zum Packungsende genommen werden, auch wenn die Erkrankung bereits geheilt zu sein scheint. Wenige übrige Bakterien können Resistenzen bilden, wenn sie nicht auch noch bekämpft werden. Diese Resistenzen können Bakterien dann untereinander austauschen und weiterverbreiten.
Die Massentierhaltung ist einer der größten Risikofaktoren für Resistenzbildungen, da Antibiotika oft dauerhaft vorsorglich verabreicht werden. In der Tierzucht werden im Zuge der Fleischproduktion dreimal so viele Antibiotika verbraucht wie für Menschen. Antibiotika, die in der Tierzucht eingesetzt werden, verlieren deswegen besonders schnell ihre Wirkung. Auch in diesem Bereich konnten bereits Erfolge erzielt werden. Seit 2010 wurde der Verbrauch in der Tierzucht der Schweiz um über 50% reduziert.
Quellen:
Statista: Vertriebsmengen von zugelassenen Antibiotika für Nutztiere in der Schweiz von 2010 bis 2019: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/241700/umfrage/eingesetzte-mengen-von-antibiotika-in-der-nutztierhaltung-in-der-schweiz, Schweiz, 2020
Van Boeckel, Thomas P. u.a.: Global trends in antimicrobial resistance in animals in low- and middle-income countries:
https://www.science.org/doi/10.1126/science.aaw1944, 2019
ECDC: Antimicrobial resistance in the EU/EEA (EARS-Net). Annual Epidemiological Report for 2022: https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/AER-antimicrobial-resistance.pdf, Stockholm, 2023
Strategie Antibiotikaresistenz StAR: Die Schweiz und Antibiotika – Bevölkerungsumfrage 2022: https://www.star.admin.ch/star/de/home/newsundaktuelles/Newsletter-Beitraege/schweiz-und-antibiotika-bevoelkerungsumfrage-2022.html, 2023
WHO: WHO-Experten warnen: Antibiotika-Missbrauch muss eingedämmt werden, sonst wirken die Medikamente nicht mehr: https://www.who.int/europe/de/news/item/23-11-2023-control-antibiotic-misuse-or-the-drugs-won-t-work–warn-who-experts, Kopenhagen, 2023